Interview mit Ödempatientin Mareike Zebisch

„Kompression ist Teil meines Lebens“

Hochzeit in schwarz

Mareike Zebisch meistert mit Selbstbewusstsein, Lebensfreude und ausgefallenen Outfits die Kompressionstherapie

Eine Hochzeit in Schwarz? Was ungewöhnlich klingt, war für Mareike Zebisch ein langersehnter Traum, den sie sich 2018 erfüllte – natürlich mit schwarzen Kompressionsstrümpfen. Mareike steht selbstbewusst zu ihrer Krankheit. Die 28-Jährige hat ein diagnostiziertes Lipödem mit sekundärem Lymphödem, auch Lipo- Lymphödem genannt. Auf ihrem Instagram-Account klärt sie Betroffene über ihr Leben mit der Erkrankung auf, gibt Alltagstipps und modische Inspirationen. Mit ihrer offenen, ehrlichen Art motiviert sie dazu, die Therapie des Lip- und Lymphödems langfristig zu verfolgen. Frau Zebisch, wann nahmen Sie erste Anzeichen einer Erkrankung wahr?

Frau Zebisch, wann nahmen Sie erste Anzeichen einer Erkrankung wahr?

„Im Dezember 2015 entwickelte sich bei mir nach einem Langstreckenflug eine Thrombose im linken Unterschenkel. Das war für mich ein Zeichen, meinem Übergewicht ernsthaft den Kampf anzusagen. Bisher hatte ich alleine mit Sport und einer Ernährungsumstellung nur wenig bewirkt. Ich nahm also an einem Programm unter ärztlicher Aufsicht teil. Bei nur 800 Kalorien pro Tag purzelten zwar die Pfunde, doch ich bekam starke Schmerzen in den Beinen. Mein Ernährungsberater hatte schon einen ersten Lipödem-Verdacht und riet mir, einen Gefäßspezialisten aufzusuchen.“

Lipo-Lymphödeme

Bei einem Lipödem nimmt das Fettgewebe zu. Dabei kann es bei manchen Patientinnen zusätzlich zu einem Lymphödem kommen. Experten sprechen in diesem Fall vom sogenannten „Lipo-Lymphödem“. Schwellen zusätzlich Füße und Zehen an (positives Stemmer’sches Zeichen), wird die Schädigung des Lymphgefäßsystems erkennbar. Patientinnen werden dann wie bei der Lymphödem-Therapie behandelt: Hautpflege, manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie und Gymnastik in Kombination mit einer Ernährungsumstellung.

Welche Diagnose wurde dann gestellt?

„Ich suchte meine Angiologin auf, die bereits meine Thrombose behandelte und mir damals rundgestrickte medizinische Kompressionsstrümpfe in CCL 2 verordnete. Das waren die Fakten: im Allgemeinen kaum Gewichtsreduktion, während des Ernährungsprogramms eine Gewichtsabnahme – vor allem aufgrund von Flüssigkeitsverlusten, Schmerzen bei Berührung an Armen und Beinen, zum Beispiel nach dem Sport. Ein Ultraschall zeigte dann krankhaft vermehrtes Fettgewebe auf. Ich konnte kaum glauben, was meine Angiologin sagte: ‚Ich habe mir schon bei Ihrem ersten Besuch gedacht, dass Sie ein Lipödem haben. Die sogenannten Suavenhosen, die durch das krankhaft vermehrte Fettgewebe entstehen können, waren bereits zu erkennen.‘ Daraufhin habe ich die Ärztin gewechselt, denn mein erster Besuch lag ein Jahr zurück und sie war nicht in diese Richtung aktiv geworden. Jetzt bin ich bei einer Ärztin, die sich zum Glück mit dem Lipödem auskennt.“

Wie sieht Ihre Therapie aus?

„Statt rund- trage ich nun flachgestrickte medizinische Kompressionsstrumpfhosen (mediven 550 Bein, CCL 2) und Armstrümpfe mit Handschuhen (mediven mondi esprit, CCL 2). Dazu bekomme ich ein- bis zweimal pro Woche Lymphdrainage.“

 

Wie lange tragen Sie Ihre Kompression täglich?

„Ich arbeite als medizinisch-technische Laborassistentin im Schichtdienst an einem Universitätsklinikum. Die Strumpfhose trage ich jeden Tag circa zwölf bis 14 Stunden und damit geht es mir wirklich besser. Einen speziellen BH mit Kompression habe ich bevorzugt zur Lymphdrainage oder zu Hause an. Die Armstrümpfe und Handschuhe trage ich täglich. Lediglich bei der Arbeit sind Nitrilhandschuhe vorgeschrieben.“

Sie gehen auf Instagram sehr offen mit Ihrer Diagnose um. Was hat Sie dazu bewegt?

„Ich wurde zu einer selbstbewussten Person erzogen. Gleichzeitig bin ich sehr eigen, zum Beispiel was meinen Modestil betrifft. Deshalb gehe ich entspannt mit meiner Krankheit um, wenn mich andere auffällig anschauen oder gar anstarren. Viele User freuen sich über Inspirationen und Motivationstipps für ihr eigenes Leben.“

Bei Ihrer Hochzeit haben Sie Ihre Kompressionsversorgung gut sichtbar in das Outfit integriert. Wie fanden Ihre Gäste das Outfit?

„Für mich war klar, die Kompression als Teil meines Lebens auch bei meiner Hochzeit in Szene zu setzen – passend zum unkonventionellen, schwarzen Hochzeitskleid. Meine Gäste kannten mich ja schon mit Arm- und Beinstrümpfen. Ihr Feedback zu meinem Outfit an diesem besonderen Tag war durchgehend positiv. Nur mein Mann zweifelte zunächst, ob die Kristalle wirklich zu mir passen, aber sie waren das perfekte Accessoire für unsere ‚Hochzeit in Schwarz‘.“

Wie geht Ihr Mann mit Ihrer Erkrankung um?

„Mein Mann unterstützt mich, wo er kann, und nimmt viel Rücksicht. Oft hilft er mir beim An- und Ausziehen der Kompression, wäscht die Strümpfe, wenn ich das nach einem stressigen Tag einmal vergesse und interessiert sich auch immer für die neuen Farben und Muster, die ich auswähle.“

Welche Verbesserungen wünschen Sie sich für Ödempatienten und Angehörige?

„Ich wünsche mir eine bessere Aufklärung und noch mehr Selbsthilfegruppen. Besonders wichtig sind die Themen Eigeninitiative, Selbstmanagement und Compliance – das muss stärker gefördert werden. Außerdem kann der Austausch zwischen Patienten, die aus ganz verschiedenen Gründen Kompression tragen, noch wachsen: beispielsweise zwischen Lip- beziehungsweise Lymphödem- Patienten und Krebspatienten. Letztere können ebenfalls aufgrund der Grunderkrankung Krebs ein sekundäres Lymphödem entwickeln. Man sollte sozusagen den Blick über den Tellerrand wagen und voneinander lernen! Davon profitieren alle.“

Wodurch bewahren Sie sich Ihre positive Lebenseinstellung?

„Natürlich nervt die Krankheit manchmal – es gibt gute und weniger gute Tage. Ich genieße mein Leben und mache mir immer bewusst, dass es schwerere Schicksale gibt, als Kompression zu tragen. In Deutschland werden wir gut versorgt, das ist in anderen Ländern nicht selbstverständlich. Meine Ärztin hat den Verdacht, dass ich eine reaktive Depression aufgrund der chronischen Erkrankung entwickelt haben könnte. Daran werden wir arbeiten, aber das ist kein Grund, mich selbst zu bemitleiden. Das Leben kann so schön sein, da möchte ich nicht immer an meine Krankheit denken. Ich persönlich profitiere von meiner medizinischen Ausbildung, durch die ich schon viel über das Lymphgefäßsystem wusste. Ich bin offen für Neues und gleichzeitig dankbar für das, was ich bereits habe. Das alles zusammen gibt mir viel Kraft.“

Welche Botschaft haben Sie für andere Betroffene?

„Lernt eure Krankheit gut kennen und setzt euch intensiv mit Therapiemöglichkeiten auseinander. Dann verliert ihr die Angst davor und könnt euer Leben viel selbstbestimmter und selbstbewusster gestalten.“

Frau Zebisch, vielen Dank für das Gespräch.