Ein Leben mit Lymphödem

Interview mit Kirsten Schade

Ein Leben mit Lymphödem - Interview mit Kirsten Schade

Einblicke in ein Leben mit dem Lymphödem – von der Diagnose über den Krankheitsverlauf bis hin zur Therapie

Frau Kirsten Schade ist Lymphödem-Patientin – von Geburt an. Im Interview liefert sie Einblicke über ihr Leben mit der Erkrankung: von der Diagnose über die Therapie bis hin zum Krankheitsverlauf. 

Wann wurde bei Ihnen die Diagnose Lymphödem gestellt?

„In den frühen 60er- und 70er-Jahren war die Diagnostik noch nicht so weit wie heute. Daher erhielt ich die Diagnose erst 1985 mit 24 Jahren. Ich habe ein einseitiges primäres kongenitales Lymphödem. Das heißt, mein Lymphödem ist angeboren. Neben meinem rechten Bein sind auch der Bauch- und der Genitalbereich von meinem Lymphödem betroffen. Die Ursache ist eine Hypoplasie der Lymphbahnen der rechten Beckenetage. Ich habe somit zu wenige oder zu enge Lymphgefäße. Bis zur Diagnose war ich bei sehr vielen Ärzten.“ 

Wie äußerten sich Ihre Beschwerden?

„Bis zur Diagnose hatte ich hauptsächlich Spannungsschmerzen im rechten Unterschenkel. Und weil bei mir das Lymphödem auch den Magen-Darm-Bereich betrifft, war mir nach fettreichem Essen immer übel. Erbrechen und Durchfälle waren die Folge.“

Wie verläuft die Krankheit bei Ihnen?

„Der Bericht zum Krankheitsverlauf der Földiklinik in Hinterzarten zeigt, dass die Krankheit weiter fortschreitet. Anfangs lag die Umfangsvermehrung meines rechten Beines noch bei zweieinhalb bis drei Litern – heute sind es fünf Liter. Außerdem lässt meine Muskulatur nach und ich entwickle regelmäßig schmerzhafte Wundrosen, sogenannte Erysipele. Bis zu 100 Erysipele hatte ich bisher. Mittlerweile befinde ich mich im dritten und letzten Stadium der Krankheit und leide an Elephantiasis, was meinen ganzen Körper belastet.“

Haben Sie Begleiterkrankungen und wenn ja, welche?

„Ich habe mehrere Begleiterkrankungen, die man bei einem Lymphödem haben kann, vor allem Lymphfisteln, Lymphzysten und Erysipele. Außerdem leide ich seit meiner Geburt an mehreren Herzfehlern.“

Wie wird Ihr Lymphödem therapiert und wie viel Zeit nimmt die Therapie in Anspruch?

„Ich kombiniere viele Therapiemöglichkeiten – je nachdem, was meinem Körper gerade gut tut. Dazu zählen die manuelle Lymphdrainage, der Lymphomat, Bandagen und Tapes und ich trage natürlich flachgestrickte Kompressionsstrümpfe. Zweimal jährlich erhalte ich eine neue Kompressionsbestrumpfung. Zum Glück bin ich fit genug, sie allein anzuziehen, denn nur mit Kompression bin ich überhaupt in der Lage, zu gehen. Zweimal pro Woche erhalte ich eine 60-minütige Lymphdrainage. Danach lege ich sofort wieder die Kompressionsversorgung an, um den Behandlungserfolg zu erhalten. Außerdem benutze ich einmal am Tag den Lymphomat, also die maschinelle Form der Lymphdrainage. Er gibt mir ein ganzheitlich gutes Gefühl.“

Wie gestalten Sie Ihren Alltag?

„Mein täglicher Ablauf sieht folgendermaßen aus: Nach dem morgendlichen Duschen desinfiziere ich mich und creme mich ein. Anschließend lege ich meine Kompressionsversorgung an. Ich trage täglich eine Doppelbestrumpfung, das heißt Zehenkappen, einen Leistenstrumpf der Kompressionsklasse 3 und darüber eine Strumpfhose der Kompressionsklasse 3. Dafür brauche ich morgens eine halbe Stunde. Abends nach dem Ausziehen desinfiziere ich wieder und creme mich erneut ein. Danach bandagiere ich mich für die Nacht. Das Bandagieren ist eine Herausforderung, weil man abends einen anderen Druck benötigt als tagsüber. Bei meinem ersten Aufenthalt in der Földiklinik hat ein Therapeut mich überzeugt, dass es wichtig ist, das Bandagieren zu lernen. Heute bin ich sehr froh, dass ich es kann.“

Welche Erfolge haben Sie bisher mit der Therapie erzielt?

„Jeder Reha-Aufenthalt ist ein Erfolg, weil ich immer etwas Neues lerne und mich mit anderen Patienten über Erfahrungen mit dem Lymphödem austausche. Das zeigt, dass ich nicht allein mit dieser Krankheit bin. Vorträge und die Gespräche mit Ärzten und Therapeuten sind oft hilfreich und liefern Tipps, wie man sein Leben mit der Krankheit gestalten kann. Außerdem merke ich, dass es mir und meinem Körper gut geht, wenn ich meine Diät einhalte.“ 

Gab oder gibt es für Sie Hürden während der Therapie?

„Patienten mit Lymphödem benötigen auch bei jeder Folgeversorgung aus hygienischen Gründen eine Wechselversorgung. Die Kompressionsversorgung muss jeden Tag gewaschen werden und wird stark beansprucht, sodass nach sechs Monaten auf jeden Fall eine Neuversorgung notwendig ist. Bei der Krankenkasse muss ich regelmäßig dafür kämpfen, dass die Kosten übernommen werden. Hier würde ich mir mehr Unterstützung wünschen.“

Worauf achten Sie bei der Hautpflege?

Hautpflege

Hautpflege

„Die tägliche Hautpflege ist sehr wichtig, da die Haut unter der Kompressionsversorgung schnell austrocknen und schuppig werden kann. Juckreiz oder Entzündungen können zu Komplikationen führen. Ich verwende daher Schaum und verschiedene pH-neutrale Cremes für den Tag und die Nacht. Empfehlenswert sind milde, seifenfreie Produkte, die nicht parfümiert sind. An heißen Tagen nutze ich ein kühlendes Spray, das ich auf die Kompressionbestrumpfung sprühe. Grundsätzlich rate ich Lymphödem-Patienten, verschiedene Produkte auszuprobieren, denn jede Haut reagiert anders auf ein Produkt.“

Wie wichtig ist die Kompression bei der Therapie?

„Die Kompressionsversorgung ist sehr wichtig, denn im Normalfall kann ein Ödem durch eine gute Kompression in seinem Zustand gehalten und sogar verbessert werden.“

Treiben Sie Sport und wenn ja, welche Sportarten können Sie Lymphödem-Patienten empfehlen?

Geeignete Sportarten für Lymphödem-Patienten

Geeignete Sportarten

„Ich achte darauf, dass ich mich viel bewege. Aktuell mache ich Pilates. Außerdem steige ich viel Treppen und gehe oft spazieren oder wandern. Für Lymphödem-Patienten eignen sich auch Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking, Radfahren und Skilanglauf.“ 

Gibt es für Sie aufgrund des Lymphödems Einschränkungen im Alltag und wenn ja, welche?

„Kleidung ist ein großes Thema – mit meinem einseitigen Lymphödem kann ich nur wenige modische Trends umsetzen. Im Auto ist die Sitzheizung ein Problem, denn der Po wird auch beheizt. Bei engen Sitzen im Kino fehlt oft die Beinfreiheit und ich muss aufpassen, dass ich mir nichts einklemme. Außerdem ist die Kompressionsbekleidung bei einer Temperatur von 30 Grad natürlich nicht angenehm. Ohne Zweifel ist großes Selbstbewusstsein nötig, um den Blicken der Mitmenschen standzuhalten. Als Kind oder Jugendliche war es nicht einfach, vor allem im Sommer. Es hat mich traurig gemacht, dass alle außer mir baden gingen und kurze Kleider trugen. Aber mit dem Alter bin ich entspannter geworden und habe gelernt, mit der Krankheit umzugehen. Bis heute bin ich aber noch nie ins Wasser gegangen und trage keine Röcke.“ 

Worauf achten Sie bei der Ernährung?

Gesunde Ernährung

Gesunde Ernährung

„Wegen des Lymphödems im Magen-Darm-Bereich darf ich keine Fette essen und lebe strikt nach einer Diät. Ich esse keine Pommes, keine Pizza, keine Wurst, keinen Käse und kein Eis. Ich achte immer auf die Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln, weil in vielen von ihnen versteckte Fette enthalten sind. Beim Kochen verwende ich mittelkettige Fette, sogenannte MCT-Fette, das sind leicht verdauliche Fette. Als Folge meiner Krankheit habe ich angefangen, viel selbst zu kochen. Heute sind Kochen und Backen meine Hobbys. Ich versuche, viel über Lebensmittel zu lernen und herauszufinden, was meinem Körper gut tut.“

Inwieweit kann ein Lymphnetz Patienten helfen?

„Lymphnetze sind sehr hilfreich, da sie Lymphödem-Patienten kompetent zu allen Fragen rund um ihre Krankheit beraten. Es wäre toll, wenn es noch mehr davon gäbe. Ich würde mir auch Kooperationen zwischen Rehakliniken, Ärzten und Krankenkassen wünschen.“

Welchen Rat möchten Sie Lymphödem-Patienten geben?

„Sie sollten niemals aufgeben und sich immer gut informieren, um gut für sich sorgen zu können. Es gibt viele Foren, in denen man Fragen stellen kann. Wer mit seinem Arzt oder Therapeuten unzufrieden ist, sollte den Mut haben, nach einer Alternative zu suchen, um bestmöglich betreut zu werden.“

Frau Schade, wir bedanken uns für das Gespräch.

Hintergrund: Was ist ein Lymphödem?

Wenn der Lymphabfluss gestört ist und sich Lymphflüssigkeit in den Gewebezwischenräumen von Armen oder Beinen staut, schwellen die Gliedmaßen an. Betroffene leiden dann an einem Lymphödem. Erfahren Sie mehr über Krankheitsbild, Symptome und Therapie.

Kirsten Schade

Kirsten Schade kam mit einem primären, einseitigen Lymphödem zur Welt und weiß, wie es ist, mit dieser Diagnose zu leben. Die staatlich anerkannte Familienpflegerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Psychologin betreibt seit 2004 in Moers eine Beratungspraxis für kranke und schwerbehinderte Menschen. 

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